Diskussionskekse

Aner Voloder ist Jurist und Projektleiter Fachstelle für Gleichstellung Stadt Zürich sowie Mitglied des Beratungsteams belaestigt.ch. Er hat sich bereit erklärt, die Sprüche, die eingebacken in Diskussionskeksen verteilt wurden, zu kommentieren.

Fünf Fragen und Aussagen zum Thema «Nähe und Distanz»

Darf ich meine Mitstudierenden oder Arbeitskolleg:innen nach ihrem Beziehungsstatus fragen?

Aner Voloder : «Der Beziehungsstatus gehört zur Privatsphäre eines Menschen. Je nach Kontext und Verhältnis kann eine solche Frage durchaus übergriffig wirken. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich abzuwarten, bis die betreffende Person selbst etwas über ihren Beziehungsstatus offenbart, beispielsweise bei einem Pausen-Gespräch oder bei einem gemeinsamen Kaffee.»

 

Können Liebesbeziehungen zwischen Vorgesetzten und ihren Unterstellten unproblematisch sein?

Aner Voloder : «Diese sind grundsätzlich problematisch, da sich in diesen Konstellationen private und berufliche Interessen in die Quere kommen. Interessens- und Loyalitätskonflikte können aufgrund des Hierarchieverhältnisses (Vorgesetzten Funktion, Weisungsbefugnisse, Beurteilungspflichten etc.) kaum vermieden werden und zu Spannungen – auch innerhalb eines Teams – führen bis hin zu Machtmissbrauch.»

 

Ist es angebracht, Mitstudierende oder Arbeitskolleg:innen an deren Geburtstag zu umarmen?

Aner Voloder : «Hier kommt es ebenfalls auf das bestehende Verhältnis zwischen den Beteiligten an. Gehören herzliche Begrüssungen mit Körperkontakt bereits dazu? Massgebend ist immer das subjektive Empfinden der betroffenen Person. Jeder Mensch definiert seine persönlichen Grenzen selbst, was die anderen zu respektieren haben. So kann sich je nach Konstellation auch eine Umarmung als Grenzüberschreitung anfühlen.»

 

Vorgesetzte und Mitarbeitende sollten meiner Meinung nach nicht zusammen ein Bier trinken gehen.

Aner Voloder : «Grundsätzlich ist ein solches Treffen unproblematisch, es sei denn, die Beweggründe dafür liegen ausserhalb des beruflichen oder rein kollegialen Kontextes. Bei hierarchischen Verhältnissen besteht ja potentiell stets die Gefahr eines Interessenkonflikts. Entsprechend sind die Rahmenbedingungen klar zu "halten".»

 

Wollen Menschen, die wir schön finden, das wissen?

Aner Voloder : «Es ist schwierig, diese Frage pauschal zu beantworten. Massgebend ist das subjektive Empfinden der Adressat*innen einer solchen Aussage und ob sie dies als Kompliment auffassen oder nicht. Auch das Verhältnis zwischen den Beteiligten spielt eine Rolle. Falls Unerwünschtheit signalisiert wird (bspw. auch über den Gesichtsausdruck), ist damit selbstverständlich aufzuhören.»

 

Fünf Fragen und Aussagen zum Thema «Nacktheit, Sex und Pornografie»

Gibt es unproblematische Witze mit Bezug zu Sexualität?

Aner Voloder : «Generell gehören sexuell oder sexistisch gefärbte Sprache, Witze oder ähnliche Verhaltensweisen nicht in den Arbeitskontext. Vorgesetzte haben diesbezüglich eine Vorbild-Funktion. Es ist an ihnen, Grenzen zu setzen, wie und worüber am Arbeitsplatz gesprochen wird. Sexuell gefärbte Witze oder Bemerkungen oder Erzählungen stellen zudem oft eine Machtdemonstration dar.»

 

Darf ich Aktkunst im Büro aufhängen?

Aner Voloder : «Sexuell konnotiertes Material gehört nicht an den Arbeitsplatz, es sei denn, es hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit, die ausgeübt wird. Aktkunst wäre daher beispielsweise grundsätzlich unproblematisch in einer Galerie oder in einer Kunsthochschule. Fraglich ist aber auch in dieser Konstellation, ob sachliche Gründe dafürsprechen, dass es in einem Büro aufgehängt werden muss oder soll.»

 

Wenn ich in der Pause lautlos Pornos auf meinem Handy schaue und niemand auf meinen Bildschirm sieht, ist das okay.

Aner Voloder : «Pornographisches Material am Arbeitsplatz ist gemäss Gleichstellungsgesetz grundsätzlich verboten. Ob dabei eine weitere Person zuschaut, es mitbekommt oder nicht, spielt keine Rolle.»

 

X. ist pansexuell/asexuell/… Ich habe viele Fragen dazu. Darf ich sie X. stellen?

Aner Voloder : «Direkte Fragen zur Sexualität, zur sexuellen Orientierung oder zur Geschlechtsidentität können nicht nur grenzüberschreitend, sondern auch persönlichkeitsverletzend sein, insbesondere wenn die bereits vorhandenen Informationen dazu nicht von der betroffenen Person selbst stammen. Hat sie aber bereits darüber gesprochen, empfiehlt es sich bei weiterer Neugier direkt nachzufragen, ob dazu noch ein paar Fragen gestellt werden dürfen. Lehnt sie ab, ist dies vorbehaltlos zu akzeptieren.»

 

Darf ich meine Mitstudierenden oder Arbeitskolleg:innen nach ihrer sexuellen Orientierung fragen?

Aner Voloder : «Direkte Fragen zur sexuellen Orientierung können übergriffig und persönlichkeitsverletzend wirken. Es kommt stark auf das Verhältnis und den Kontext an. Es empfiehlt sich eher abzuwarten, bis die betreffende Person selbst etwas dazu offenbart, bspw. bei einer im ungezwungenen Rahmen erzählten Geschichte aus dem Privatleben oder wenn die Person in der Kaffee-Pause von ihren Ferien mit ihrer Partnerin bzw. ihrem Partner erzählt.»